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AutorenbildKatja @ coitoergosum

Partnerschaft und Sexualität bei Querschnitt

"Menschen mit einer Tetraplegie haben doch ganz andere Sorgen als ihre Sexualität", meinte kürzlich ein Teilnehmer auf einer meiner Fortbildungen. Dass dies nicht die Aussage aus der breiten Gesellschaft war, sondern die eines Oberarztes, irritierte mich.


Der Arzt der neurologischen Klinik war scheinbar dem Confirmation Bias erlegen: d.h. er wählt und interpretiert die Ergebnisse dahingehend, dass sie zu seinen Annahmen und Überzeugungen passen. Das ist nur menschlich, hat aber unter Umständen verheerende Folgen für bspw. Patient:innen mit Querschnittsläsion, die tagein tagaus zum Blasen- und Darmmanagement unterrichtet und versorgt werden (was GENAUSO wichtig ist!) und gleichzeitig aber ihre sexuellen Bedürfnisse abgesprochen bekommen (die GENAUSO wichtig sind!).

 

Dass wir erkrankten oder behinderten Menschen ihre Sexualität absprechen, hat

insbesondere in Deutschland eine lange Tradition, die uns mindestens die katholische Kirche beschert hat. Doch auch rechtsgesinnte politische Entwicklungen tragen dazu bei - das sei an dieser Stelle aber nur als oberflächlicher Hintergrund erwähnt.


Es liegen inzwischen zahlreiche wissenschaftliche und empirische Belege vor, die genau das Gegenteil der ärztlichen Aussage belegten: Menschen mit einer Rückenmarksverletzung sind auch Menschen mit einem Grundbedürfnis nach Nähe, Intimität und Sexualität und wollen diesem trotz körperlicher Einschränkung nachgehen. Das belegen verschiedene Studien (s.u.), Erfahrungsberichte von Teilnehmenden in meinen Fortbildungen sowie sehr berührende sowie lehrreiche Videos der Spinal Cord Injury Research Evidence Community aus Kanada. Für manche Betroffene ist es DER ERSTE Gedanke nach einem Unfall, einer der sich um die Sexualität dreht. Dies könnt ihr im folgenden Video eindrücklich nachvollziehen:


Anderson (2004) befragte Hunderte von Personen mit Rückenmarksverletzungen, um festzustellen welche Prioritäten sich am meisten auf ihre Lebensqualität auswirken würden. Für Personen mit Tetraplegie stellte sie fest, dass die Wiedererlangung der Arm- und Handfunktion am wichtigsten war, und die Wiedererlangung der sexuellen Funktion war ihre zweithöchste Priorität.


Für Menschen mit Querschnittslähmung war die Wiedererlangung der sexuellen Funktion die höchste Priorität. In einer neueren Studie wurde auch ein Zusammenhang zwischen der Beeinträchtigung der Hand und einer geringeren sexuellen Zufriedenheit bei Menschen mit SCI in Verbindung gebracht (Burke et al., 2007). Leider, da Rehabilitationskliniker:innen sexuelle Fragen mit ihren Klient:innen nur selten ansprechen (Krassioukov et al., in Vorbereitung), unterstreichen Studien wie diese unterstreichen die dringende Notwendigkeit, sexuelle Fragen im klinischen Umfeld zu behandeln.


 

Die Manfred-Sauer-Stiftung bietet zum Thema Sexualität bei Querschnitt umfangreiche Informationen für Betroffene und auch Behandelnde. Die Stiftung ist quasi DIE Informationsquelle für Querschnittsgelähmte und alle, die sich zu dem Thema informieren möchten.


Ihr findet unter anderem Infos zu den Fragen:


... und viele mehr - schaut Euch einfach mal auf der Seite um!

 

Maria-Christina Hallwachs wiederum ist selbst querschnittsgelähmt, führt ein Leben im Rollstuhl und wird beatmet. Sie geht ins Theater, verreist und führt(e) Fernbeziehungen. Heute unterhält sie sich mit anderen Betroffenen unter anderem zu Fragen rund um die veränderte Sexualität. Aufmerksam geworden auf ihre Arbeit bin ich vor Jahren über einen sehr umfassenden Artikel über ihr Leben und die damit verbundene Arbeit bei zeit-online mit dem Titel Umarm mich! Keine weiß so gut wie sie: dass Querschnittgelähmte Sex haben, ist ein Tabu - und sie bricht es. Must read!


Es scheint also zu stimmen: Menschen mit Querschnitt / Menschen mit Behinderung / Menschen im Rollstuhl sind Menschen mit sexuellen, intimen und Bindungsbedürfnissen.

Heureka, gut, dass wir das nun endlich geklärt haben!

 

Quellen:

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